Meine Langlaufkultur
Mit diesem Rückblick bin ich für meinen Teil Langäufer mit Bärenfellmentalität geworden. Ich meine, die Altvorderen liefen nach Beute, ruhten sich etwa acht Tage aus und genau mit diesem Rhythmus laufe ich seit mehr als 50 Jahren. Übrigens, die Hälfte dieser Zeit auf der ganzen Welt, wo meine beruflich bedingten Reisen es gerade so mit sich brachten, Golf- oder Tennisschläger mochte ich nicht im Reisegepäck haben, abgesehen von der Frage nach Spielplätzen oder Partnern, die bei zu geringer Zeit schwerlich zu finden waren und mir ohnehin zu wenig Spielraum ließ. Das Argument, man könnne über kürzere Frequenzen Kondition aufbauen war und ist für mich nicht relevant. Ich messe meine Läufe nicht über Leistung oder mich nicht mit anderen, laufe gerne alleine, trabe eher wie ein Ackerpferd, jedoch nicht mit Hacken- sondern Ballenantritt, was sich über die vielen Jahre einfach so herausgebildet hat. Also bin ich doch ein Stück weit eine Mischung zwischen Acker- und Rennpferd, zumindest den Antritt nach.
Zum Beute machen bedeutete zeitiges Aufbrechen,
bei Sonnenaufgang unterwegs zu sein eine Steigerung des Jagd- Glücks.
Meine Regel- Startzeit basiert mit diesem unbedeutend heiteren und
anderen ernsteren Argumenten auf diese Idee. Mein Wecker steht einmal
in der Woche auf 04.30 Uhr, meist sonntags. Meine Familie war und
ist durch diesen etwas egoistischen, individuellen Sport im Tagesablauf
daher nicht beeinträchtigt, die Muskeln sind optimal durchwärmt
- ein Achilles- Sehnenriss stellte sich jedenfalls seitdem nicht wieder
ein - . Auf Geschäftsreisen, auch mit Kollegen, war vor meinem
jetzigen Rentenalter diese Tageszeit unauffällig, am leichtesten
machbar - man durfte sich nur nicht verlaufen, wie ich später
noch berichten werde - . Schurken und gnadenlose Gauner findet man
um diese Tageszeit erfahrungsgemäß nicht mehr auf den Straßen,
eine Erwägung die ich einst in Bogota, Kolumbien hatte, bekanntlich
gelegen auf etwa 3000 m Höhe. Um diese Zeit kam es vor, dass
Hotelgäste ausgeraubt und halb nackt in ihr Hotel zurück
geschickt wurden. Die frühen Morgenstunden sind auf der ganzen
Welt, - das Erwachen von Stadt und Land - , ein unvergleichliches
Erlebnis für Auge, Ohr und Nase. Übrigens, um diese Tageszeit
findet man auf dem gesamten amerikanischen Kontinet, von Nord nach
Süd, von Ost nach West so gut wie niemanden auf der Strasse,
nur bellende, oft für einen Läufer nicht ungefährliche
Hunde in Vorgärten - soweit Grundstückee überhaupt
eingezäunt sind - und natürlich Autofahrer. Ganz anders
erwacht die Welt um diese Tageszeit in asiatischen Ländern, aber
dazu später.
Ja, nach längeren Anreisen in die heutige
globale Geschäfts- Welt sind nicht nur Höhenunterschiede
in den ersten Tagen nach der Ankunft zu verkraften sondern ebenso
Temperatur- und tageszeitliche Unterschiede, jahreszeitliche Unterschiede,
sowie Unterschiede in der Nahrungsaufnahme über Qualität,
Zubereitung, Geschmack und Tageszeit. Santa Catharina, Brasilien, eine vorwiegend von Deutschen besiedelte
Landschaft bot mir erfrischende Laufstrecken. Die Stadt Blumenau,
nach Dr. Hermann Blumenau - einen Brieffreund des Alexander von Humboldt
- benannt, liebt immer noch deutschsprachige Namen. Wir wohnten in
diesen Tagen im Hotel Himmelblau. Der Werksleiter unserer befreundeten
Firma dort, lud uns zum Lunch ein, gerne in das Restaurant Edelweis,
es bot einen vorzüglichen Blick über die ganze Stadt. Unser
Gastgeber, US- Amerikaner, fragte mich während einer Unterhaltung,
also den einzigen Deutschen am Tisch: Tell me one thing! What are
Buam? Wenn jährlich, zur Oktoberfestzeit, Bayrische Kapellen
aufspielten, fand er diese "Buam" naheliegenderweise auf
den Kapellen- Labels.
Salvador, eine Stadt mit vorwiegend schwarzer und gemischter Bevölkerung,
heiß und schwül, aber mit pulsierendem Leben spürbar
beschwingt, sie reißt einen mit. Die Stadt ist aber, wohl wissend,
keineswegs reich. Diese Beschwingtheit übertrug sich auch auf
meine Lust, zu laufen und dabei ieder in den frühen Morgenstunden
den Fischmarkt zu durchstreifen, nach der bereits erwähnten Einstellung,
die Sinne offen zu halten, zu schärfen. Die lebenslustigen Marktweiber
schoben sich am Morgen ganz selbstverständlich gerade geschnittene
Zwiebelringe auf die Unterarme und schienen glücklich damit,
als wollten sie böse Geister mit diesen "Amultes" fern
halten oder sich einfach schmücken.
Als Perle des Atlatik gilt die Insel Santo Amaro, der Stadt São
Paul etwa 70 km vorgelagert.. Der berühmte Kurort, Estância
Balneária, in der Nähe von Guarujá do Sul war für
mehrere Wochenenden meine Anlaufstelle. Unvergessen blieben zwei Erinnerungen,
ein bis dahin nicht gehabter Sonnenbrand, entstanden über Baden
und Laufen, das ungezwungene Gespräch nach sonntäglichem
Kirchgang zwischen meinen Freunden und Industriellen im Sinne wohlverstandener
Lobbypflege. In Chile traf ich auf Industrielle, die über das Allende Regime
Ihre Fabriken verloren hatten. Es waren Unternehmen mit mehr als 3000
Beschäftigten. Ihren Lebensunterhalt bestritten Sie über
gelegentliche Garagenverkäufe ihrer Habe. Soweit vom Alter her
noch möglich wurde Vertretungen für ausländische Firmen
übernommen. So kam unser Kontakt zustande. Unser Besuch galt
der größten Kupfermine des Landes in der Atacama Wüste.
Unser Standort war in diesen Tagen San Pedro de Atacama. Für
Läufer in den Morgenstunden eine grandiose Gegend. Diese Salzwüste
ist über weite Strecken einfach flach.
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